Im ersten Blog sind die wichtigsten Informationen über die Dienstleistungen des schulpsychologischen Dienstes (SPBD) dargestellt worden.
Nun folgt in diesem 2. Blog das Experten-Interview mit Frau Dietsche, Schulpsychologin und Stv. Stellenleitung SPBD.
Frau Dietsche, mit welcher Arbeit sind Sie momentan gerade beschäftigt? Können Sie uns einen groben Überblick geben?
Unsere Arbeit ist wie immer sehr vielfältig – wir sind Generalisten und oftmals die erste Anlaufstelle für viele verschiedene Fragestellungen und Anliegen. In der Zeit zwischen Herbst und Frühling beschäftigen wir uns vor allem intensiv mit den Fällen, bei denen es um potenzielle Sonderbeschulungen (integrierte und externe) geht. Auch einige Kinder aus dem Frühbereich, welche nächstes Schuljahr in den Kindergarten übertreten, brauchen durch uns Begleitung, damit wir die Schule beraten können, welche Fördermassnahmen und Ressourcen sie für einen gelingenden Kindergartenstart benötigen. Auffällig ist, dass wir in diesem Schuljahr rund doppelt so viele Fälle/Anmeldungen bearbeiten, wie vorher. Das fordert uns intern als Team sehr und führt leider auch zu längeren Wartefristen. Trotzdem bemühen wir uns tagtäglich, für jedes Kind das Beste zu geben und nach der besten Lösung zu suchen. Auffällig ist auch, dass wir aktuell viel mit dem Thema Schulabsentismus zu tun haben, vor allem auf Sekundarstufe, und es viele Kinder und Jugendliche gibt, die in einer grossen psychischen Krise stecken und Hilfe benötigen. Daneben hatten wir im letzten Jahr auch mit einigen Ukrainischen Flüchtlingskindern zu tun, welche spezielle Unterstützungsmassnahmen benötigten.
Was ist der Zweck und das Ziel einer schulpsychologischen Untersuchung (Abklärung)?
Wie bereits gesagt, ist es für mich persönlich immer das Ziel, die Gesamtsituation eines Kindes/Jugendlichen zu verbessern durch meine Arbeit. Oft berührt es mich, wenn es uns gelingt, ein Verständnis für das Denken oder Handeln eines Kindes zu schaffen. Dann erleben wir einen «Aha-Moment» bei Lehrpersonen und Eltern. Und dieser neue Blick für die Situation des Kindes zusammen mit dem Wissen, wo in Zukunft angesetzt werden muss, kann dazu führen, dass sich die schulische, private und persönliche Situation für ein Kind verbessert. Das sind die schönen Momente und Erlebnisse aus unserem Alltag.
Wann bzw. bei welchen Kriterien empfehlen Sie eine Abklärung und warum?
Das kann ich nicht allgemein sagen, jeder Fall ist einzigartig. Ob eine Abklärung Sinn macht, das finden wir beim gemeinsamen Vorbesprechen (noch in anonymer Form) heraus. Oftmals können wir durch diese Vorbesprechung bereits beratend wirkend, indem wir vielleicht Ideen haben, was man alles noch vor einer Abklärung ausprobieren könnte.
In der Schulsozialarbeit machen wir immer wieder mal die Erfahrung, dass sich Eltern eine durch die Schule oder durch uns empfohlene Abklärung verweigern. Welche Gründe könnte es Ihrer Ansicht nach dafür geben?
Ich denke das hat oftmals mit Angst zu tun, vielmals fehlt den betreffenden Eltern aber auch das Wissen darüber, wie wir arbeiten und was wir genau tun. Ich habe schon gehört, dass Eltern zum Beispiel Angst hatten, dass ihr Kind dann stigmatisiert werden könnte, wenn es zur Schulpsychologin muss oder dass es nicht mehr die Regelschule besuchen darf. Wenn wir mit diesen Eltern sprechen und ihnen die Angst nehmen, können wir sie dann in den meisten Fällen für eine Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes gewinnen. Für solche Eltern ist es auch hilfreich zu wissen, dass wir nur Massnahmen empfehlen, aber nicht darüber entscheiden. Die Schulpflege entscheidet in letzter Instanz über schulische Massnahmen, die Eltern werden immer einbezogen.
Wie würden Sie Eltern überzeugen, trotz ihren Bedenken einer Abklärung zu zustimmen?
Wie gesagt, oft hilft ein erstes persönliches Gespräch, bei denen wir über die Befürchtungen der Eltern und ihre persönlichen Anliegen sprechen, bei dem ich mich und meine Arbeitsweise vorstellen kann und bei welchem wir gemeinsam das weitere Vorgehen klären.
Wie könnte die Entwicklung bzw. der Schulalltag eines Kindes verlaufen, wenn es nicht abgeklärt wird, obwohl es aus fachlicher Sicht klar angezeigt wäre? Kennen Sie Beispiele?
Oftmals könnte das dann unschöne Situationen mit ungünstigen Schulverläufen und/oder persönlichen Entwicklungsverläufen geben. Der/die Leidtragende an dieser Uneinigkeit zwischen Eltern und Schule ist dann leider oft das Kind selbst.
Zieht eine Abklärung irgendwelche Nachteile mit sich oder schadet es dem Kind (oder der Familie) in irgendeiner Weise?
Nein. Ich arbeite nun seit knapp 10 Jahren als Schulpsychologin und das habe ich glücklicherweise noch nicht erlebt oder gehört. Unser Ziel ist es klar, dass die Abklärung einen Vorteil für das Kind schafft und es sich dank der Beratung besser entwickeln kann.
Zum Schluss: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Faktoren für eine «optimale» Kindesentwicklung?
Das ist eine ganz spannende und enorm vielfältige Frage, über die man mehrere Stunden sprechen könnte (lacht). Ich versuche, ein paar mir wichtig erscheinende Faktoren aufzuzählen. Ein liebevolles und für die Bedürfnisse des Kindes feinfühliges, sensitives Elternhaus, genügend Anreize, Lern- und Spielmöglichkeiten, damit sich das kindliche Gehirn gut entwickeln kann, eine stabile und sichere Bindung des Kindes zu seinen Eltern und Bezugspersonen, Kommunikation, ein liebevoller aber konsequenter Erziehungsstil, die psychische Gesundheit der Eltern selbst und der Umgang miteinander auf Paar- und Familienebene, ein tragfähiges soziales Netzwerk (Freunde) und gesunde Umweltbedingungen. Wenn das Kind die Erfahrung machen darf, dass es geliebt wird, es sich selbstwirksam erlebt («ich kann das») indem ihm Verantwortung gegeben wird und es selbstständig werden darf, es in Sicherheit ist, Anerkennung erlebt und Orientierung/Struktur/Regeln und Grenzen erfährt, sind das beste Voraussetzungen für eine möglichst gesunde persönliche Entwicklung.
Frau Dietsche, vielen Dank für das Experteninterview.
Das Interview führte Jonas Lüthi, Schulsozialarbeit Niederhasli